Gedanken zum 180 jährigen Jubiläum der Concordia

Eigentlich hatten wir so viel vor zu unserem 180-jährigen Jubiläum.

Im Frühjahr wollten wir schon eine akademische Feier mit vielen Ehrengästen abhalten, so wie es in der Concordia bei runden Geburtstagen schon seit vielen Jahren Brauch ist.
Doch nichts bleibt, wie es war.
Leider mussten wir im März von unserem langjährigen Chorleiter Hubert Reuter Abschied nehmen. Wir hatten schon ein minutiös ausgearbeitetes Programm. Hubert sollte feierlich den Dirigentenstock an Simon Zellmann übergeben. Von einem auf den anderen Tag wurde unser Plan obsolet.
Der Blick in die Vergangenheit der Concordia ist sicher ebenso spannend wie die Betrachtung der Veränderungen im Dorf. Auch wenn der eine oder die andere sagen wird, da ist nichts Wesentliches im Vereinsleben der Concordia passiert, so halte ich dagegen: Die Einschätzung liegt im Auge des Betrachters, der Betrachterin.
Ja, wir sind in den letzten zehn Jahren nicht mehr zu Wettbewerben gefahren. Ja, wir haben kein fest mehr gefeiert mit großem Festzelt und riesigen Aufwand. Ja, unser Altersdurchschnitt ist gewachsen und unsere Mitgliederzahl geschrumpft.
Aber wir sind da und haben sowohl im Männerchor wie auch im Gemischten Chor bisher beachtliche Qualität gezeigt und galten als einer der „guten“ Chöre in der Region. Das wollen wir auch beibehalten und uns mit unserem neuen Chorleiter entwickeln.
Aber schauen wir nun auf das, was die Concordia 1842 in all den Jahren bewegt hat.
Kann man sich vorstellen, was die Eicher Männer in 1842 umgetrieben hat, einen Gesangverein zu gründen?
Vielleicht lassen sich Rückschlüsse in den Kirchenbüchern oder in den Publikationen ehemaliger Pfarrer bei uns in Eichen finden. Sicher wird auch Prof. Dr. Jürgen Müller dazu dezidierter Aussagen treffen können.
Allgemein gelten die 1840er Jahre als eine etwas spießbürgerlich-langweilige, aber doch auch behagliche Zeit. Sie wurde auch Biedermeierzeit genannt. Bescheiden und zufrieden lebende Bürger und Bauern ließen es sich in den Dörfern unter wohlwollender Aufsicht ihrer Fürsten gut gehen. Eichen gehörte seit 1821 dem Landkreis Hanau im Kurfürstentum Hessen an. Laut Wikipedia haben ca. 711 Menschen hier in Eichen gelebt.
Andererseits war die Zeit auch durch massive Spannungen und Unsicherheiten bestimmt. Umbrüche in Wirtschaft und Gesellschaft führten zu oppositionellem Verhalten in der Bevölkerung. Ein paar Jahre vorher um 1809 gründete Carl Friedrich Zelter in Berlin den ersten Gesangverein, die „Zeltersche Liedtafel“. In der Schweiz gründete der Musikpädagoge Georg Nägeli eine Männerchorabteilung im Singinstitut in Zürich. Die Vereine nannten sich im Süden Liederkränze und setzten mehr auf breite Bevölkerungskreise und pflegten eher den volkstümlichen Gesang.
Von da an setzte eine Gründungswelle von Gesangvereinen ein. Einerseits begeisterte man sich seinerzeit für den Liedvortrag andererseits entstanden verschiedene Formen von Geselligkeit u.a. Turnvereine und eben Gesangvereine, die oftmals auch politisch motiviert waren. Das aufstrebende Bürgertum verlangte die nationale Einheit Deutschlands. Möglicherweise hatten auch die Eicher die Nase von diesen vielen deutschen Einzelstaaten voll und litten noch unter der napoleonischen Herrschaft und falschen Versprechungen der vergangenen Jahre.

Eicher Männer (Frauen waren damals von einer Gleichberechtigung noch einige Jahre entfernt) gründeten jedenfalls 1842 im Gasthaus „Zum Stern“ ihren Gesangverein, nannten in Concordia, was einen Zustand des herzverbundenen Zusammenlebens bedeutet und auch mit Eintracht, Einvernehmen und Einklang beschrieben wird. Der Name mag den Geist dieser Männer beschrieben haben. An Bedeutung hat er in all den vielen Jahren nicht verloren und sollte uns immer ein hehres Handlungsmotiv sein.
Parallel förderte der Tübinger Musikpädagoge Friedrich Silcher den Chorgesang, indem er zahlreiche Chorsätze arrangierte, die nicht nur bei der Concordia, sondern bei den folgenden Generationen von Gesangvereinen zum Allgemeingut wurden.
Ganz Europa mündete 1848 in eine revolutionäre Welle wurde in Frankfurt die Nationalversammlung. Heiße und blutige Zeiten folgten. Die deutsche Einheits- und Freiheitsbewegung scheiterte und beendete die erste Blütezeit des deutschen Männerchorwesens.

Die Concordia blieb.
Mit dem Gründungsjahr 1842 sind wir einer der ältesten Vereine im Altkreis Hanau.
Bei Betrachtung der Tafeln im Foyer wird Ihnen auffallen, dass sich unser Vereinsname einige Male geändert hat.

Um 1900 wurden einheitliche Rechtschreibregelungen eingeführt. Und der Name änderte sich in seiner Schreibweise in „Konkordia“.

Wie genau es im Ersten Weltkrieg um die „Konkordia“ stand ist in unserer Ausstellung nicht festgehalten. Man könnte recherchieren. Sicher werden wie bei anderen Gesangvereinen auch viele Männer in den Krieg gezogen und nicht mehr zurückgekommen sein. Nach dem Krieg konnten die Gesangvereine in der Regel nur mit gelichteten Reihen weitermachen.
Die Konkordia blieb.
Vor dem Zweiten Weltkrieg, während der Weimarer Republik“ existierten in Eichen drei Gesangvereine, die „Freie Sängervereinigung“, die „Liedertafel“ und die „Konkordia“.
Sicher wird es auch in dieser Zeit u.a. politische Motive und nicht nur die Freude am Singen gegeben haben, um in einem so kleinen Ort mit drei Vereinen aktiv zu sein.
Vielleicht können Einzelne unter uns noch aus alten Erfahrungen oder Erzählungen berichten.
In der Ausstellung ist eine Urkunde aus dem Jahr 1942 zu sehen, die der Konkordia anlässlich ihres 100-jährigen Bestehens vom Sängergau Hessen Nassau verliehen wurde.

Nach dem Krieg durften Vereine aufgrund eines Dekrets der Alliierten ihre Namen nicht mehr weiterführen.

Deshalb schlossen sich 1945 Sänger unter dem Namen „Volkschor“ zusammen und gaben sich auch eine eigene Satzung. Das Vereinslokal war weiterhin das Gasthaus „Zum Stern“
1952 verließen einige Sänger den Volkschor und sangen wieder unter der ehemaligen Sängervereinigung. Die Konkordia führte daraufhin die Bezeichnung „Volkschor Concordia 1842 Eichen“, bevor dann später wieder zum ursprüngliche Namen „Concordia 1842 Eichen“ zurückkehrte.
Aus meiner Geschichte kann ich erzählen, dass mein Vater eigentlich als Arbeiter und Maurer auch bei der „Freien Sängervereinigung“ singen wollte, sein Schwiegervater, der Klause Heine, ihm aber deutlich machte, dass ein Selbständiger zur Concordia gehört. Dort sang er dann auch über einige Jahre.
Die Concordia 1842 Eichen blieb.
Seit dem Krieg wurde der Verein nur von wenigen Vorsitzenden geleitet. Die Männer zeichnen ihr langjähriges Engagement und die Verantwortungsübernahme für den Verein aus.
Ernst Reibert 25 Jahre, Rudolf Wörner und Norbert Laubach jeweils 18 Jahre.
Gerhard Reichhold behielt das Amt von 2010 – 2020 inne.
2020 wollte dieses Amt niemand mehr übernehmen. Wir probierten die Vereinsführung mit einem neuen Modell des gleichberechtigten geschäftsführenden Vorstands, bestehend aus Susanne Jordan, Sam Pfeifer, Frank Beutler, Wolfgang Wiegand und mir.

Seit Juni 2022 sind wir wieder zur satzungskonformen Ordnung mit einem geschäftsführenden Vorstand und einem Vorsitz übergangen. In der langen Vereinsgeschichte bin ich nun die erste Frau, die dieses Amt übernommen hat.
Es ist viel in der deutschen Geschichte, aber auch in der Vereinsgeschichte passiert, dass dies möglich wurde.
Ich hoffe:
Die Concordia bleibt. Bis 1956 war Heinz Rück aus Frankfurt in Eichen Chorleiter. Rück reiste aus Frankfurt an, damals war die Chorprobe samstags, er übernachtete, war dann meistens noch zum Mittagessen eingeladen, um dann wieder mit der Bahn nach Hause zu fahren. Das Dirigentenhonorar war spärlich und oft wurde mit Naturalien, meist in Form von „Hausmacher Wurst“ aufgebessert.

Ab 1956 bis 1989 war Engelbert Oppermann der musikalische Leiter der Concordia. Unter seiner Leitung wurden regelmäßig Konzerte gegeben, oft auch mit kleinen Orchestern. Teilnahme an mehreren Landeschortagen. 1977 nahm die Concordia am „Induco Kongress“ in Malmö /Schweden teil. Unter der Leitung von Engelbert Oppermann existierten neben dem Männerchor zeitweise ein Kinder- und ein Kleiner-Chor.
Aus dem Kinderchor von damals singen heute Margit Störkel und ich wieder bei der Concordia mit. Von den Buben ist keiner zum Männerchor übergegangen. Wir können noch ein bisschen werben. Zu alt sind sie noch nicht. Wenn wir uns auch gerne junge Sängerinnen und Sänger zur Verstärkung der Chöre wünschen.

Die Jahre 1989 bis 2021 waren geprägt durch die musikalische Zusammenarbeit mit Hubert-Thorwald Reuter als Chorleiter. Konzerte im heimischen Bereich, a cappella wie auch im Zusammenspiel mit professionellen Orchestern, u.a. den Nordungarischen Sinfonikern, Frankfurter Sinfonikern und dem Panocha Quartett oder große Auftritte in der Turnhalle mit den Tenören Ryzard Karzikowski und Johannes Kalpers sind den Männern und ihren Familien unvergesslich in Erinnerung geblieben.

Konzertreisen führten uns nach Budapest, Salzburg und Prag. Europäische Spitzenchöre waren in Eichen zu Gast.
Anfang der 2000er Jahre taten sich Frauen zusammen, um unter dem Dach der Concordia zu singen. Der Chor „Juventus“ wurde gegründet und von Michael Habermann geleitet.
Leider war die Zeit damals noch nicht reif, dass Frauen und Männer in der Concordia nebeneinander in einem Haus existieren konnten.
Einige Frauen verließen die Concordia und gründeten den Verein „Miss Harmonie“. Die verbleibenden Frauen fusionierten 2004 mit den Frauen der Sängervereinigung Höchst, die ebenfalls unter Hubert Reuter sangen. Ab 2006 gestaltete sich der Chor durch kräftige Unterstützung des Männerchores zum gemischten Chor um.
Die Concordia bleibt.

Auch der Männerchor hat sich unter der Leitung von Hubert Reuter qualitativ gesteigert und so blieben Erfolge bei Wertungssingen. Die Urkunde eines letzten Chorwettbewerbs in Horbach finden Sie unter dem Jahr 2012 auf unseren Tafeln.

1993 wurde die Concordia zum Beispiel nicht zuletzt wegen dieser „Internationalen Chortage“ mit dem Kulturpreis des MKK ausgezeichnet.
Viele Jahre gab es unter der Leitung von Margit Störkel und Alexandra Laubach einen Kinderchor, die „Concordinis“.
Leider hat der Chor die Corona-Pandemie nicht überlebt. Zwei Jahre Kontaktverbot sind in der kindlichen Entwicklung eine lange Zeit. Die beiden Chorleiterinnen haben für sich einen Schnitt gemacht und die Arbeit mit den Kindern, die für sie eine Herzenssache war aus ganz persönlichen Gründen aufgegeben.
Die Concordia hatte eine bewegte und eindrucksvolle Vergangenheit und wir alle im Vorstand hoffen, die Concordia wird noch viele Jahre bleiben.

Die Notwendigkeit der Veränderung hatte sich schon längere Zeit angekündigt. Seit Sommer 2021 leitet nun Simon Zellmann die beiden Chöre der Concordia. Mit ihm wird sie ihr Profil verändern.

Der Umbruch ist nicht leicht. Viele Sänger müssen aufgrund ihres hohen Alters und wegen gesundheitlicher Einschränkungen kürzertreten, können nicht mehr aktiv am Vereinsleben teilhaben. Neue Frauen und Männer kommen nur zögerlich hinzu.
Doch wir sind sicher, unsere Reihen werden sich wieder füllen.
Singen macht Spaß. Singen hält fit und fördert das Gemeinschaftsgefühl.
Vielleicht ist die Zeit der Wettbewerbe vorbei, aber sicher werden die Freundschaftssingen wieder zunehmend an Attraktivität gewinnen.
Corona hat nicht nur Lücken hinterlassen, sondern auch den Wunsch, zusammenzukommen und zu singen.
Wir haben uns fest vorgenommen, auch den Kinderchor wieder aufleben zu lassen und suchen nach einer geeigneten Chorleiterin, einem Chorleiter mit Spaß und Enthusiasmus. Wir möchten Bedingungen schaffen, die bei Kindern die Lust am gemeinsamen Singen fördern und der Gesang in aktueller Form als Kulturgut erhalten bleibt. Wir sind uns einig, dass der erneute Aufbau der Kinder- und Jugendarbeit dazu beitragen wird, dass die Concordia bleibt.

Romy Nickel
1. Vorsitzende